September 28, 2018

Artistic Collaboration with Franz Welser-Möst


© Martin Kubik

Der September 2018 begann mit einer intensiven Arbeitsphase unter Franz Welser-Möst, der ja auch schon das letzte Konzert des Orchesters in Salzburg bei den Festspielen geleitet hatte. Im Wolkenturm von Grafenegg begann am 6. September der Konzertreigen, gespielt wurde von Anton Bruckner die Symphonie Nr. 5in B-Dur (um es genauer zu definieren: in der Fassung des Bruckner-Forschers HR Prof. Dr. Leopold Nowak, dem damaligen wissenschaftlichen Leiter der Bruckner-Gesamtausgabe).

Tags darauf ging es frühmorgens nach Luzern, wo im kurz „KKL“ genannten Kultur- und Kongresszentrum ebenfalls die Bruckner-Symphonie gebracht wurde, die allerdings ein Vorspiel von Joseph Haydn erhielt, nämlich das Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur, mit der argentinischen Solistin Sol Gabetta. Der Folgetag, Samstag, 8. September, brachte ein weiteres schon in Wien erarbeitetes Programm, und zugleich eine Würdigung des Preisträgers des diesjährigen Credit Suisse Awards: Kian Soltani, Cellist, ist gebürtiger Bregenzer, aber mit iranischen Wurzeln, Jahrgang 1992. Nach der Laudatio und Preisübergabe von Festivalleiter Michael Haefliger spielte Soltani von Antonín Dvořak das Konzert für Violoncello und Orchester in h-Moll op. 104. Das Publikum erklatschte sich auch eine solistische Zugabe: zusammen mit der Cellogruppe spielte Soltani eine Adaption des Dvořak-Liedes „Kéž duch můj sám“ („Lasst mich allein“, aus den „Vier Gesängen“ op. 82, Nr. 1) in der Fassung für 7 Celli. Nach der Pause erklang von Johannes Brahms die Symphonie Nr. 2 in D-Dur op. 73.

Am Sonntag, den 9. September teilte sich das Orchester für den Weitertransport in zwei Gruppen; erfreulicherweise war in diese Tournee auch noch eine Schiffsreise integriert. Das mag nur fürs erste einmal verwundern. Unsere schnelllebige Tournee-Zeiteinteilung mit Flugtransport, Ankunft, Sitzprobe und Konzert (und das womöglich fast täglich) hat nämlich die Vorbedingung, dass das entsprechende Programm bereits vorab geprobt zu sein hat. Auf der vergleichweise „langsamen“ Schiffsreise besteht freilich die Möglichkeit, Konzertprogramme geruhsam einzustudieren und so gleichsam an Bord reifen zu lassen. Voraussetzung ist freilich eine vorhandene Infrastruktur mit der Gelegenheit, solche Arbeitsproben auch auf dem Schiff abhalten zu können. Die MS Artania hat sich für solches als geeignet angeboten. Außerdem war vom Veranstalter die gegenständliche Schiffstour als Kulturreise angeboten worden und die Passagiere erwiesen sich als höchst musikaffines Publikum, das damit auch zu den Proben zugelassen war. Musikfreunde sind dabei oft nicht nur vom Konzertgenuss als Ergebnis der künstlerischen Zusammenarbeit angetan, sondern würden auch gerne den Entstehungsprozeß miterleben. Wenn sie es ganz genau erfahren wollen, dann ist auch das, was der Dirigent den probenden Musikern wörtlich abverlangt, von höchstem Interesse. So geschehen bei einer der letzten Schiffsreisen des Orchesters, als man am Maestro zur besseren Verdeutlichmachung – nicht etwa für uns Musiker, sondern für das Auditorium – noch ein Mikrophon anbrachte, um jegliche sprachliche Regung auch in die hintersten Winkel der Lokalität weiterzutragen.

Eine so genannte „Mozart-Besetzung“ schiffte sich nun, nach Bustransport und Flug über Zürich bzw. Basel nach Paris in Le Havre ein, während die für Bruckner notwendige Ergänzungs-Formation nach London geflogen wurde. Das nun folgende Konzert sollte am Montag, 10. September im Glyndebourne Opera House stattfinden; ein Debut des Orchesters an diesem Ort. Es wurde wieder von Anton Bruckner die Symphonie Nr. 5 gespielt. Nachdem nun Glyndebourne nicht am Meer liegt, wurde zur Ausschiffung im Hafen von Tilbury angelegt und der An- wie Abtransport mit Bussen bewerkstelligt.

Nach einem Tag auf See (der zum Proben genützt wurde) und einem weiteren mit Anlegen in Zeebrügge (Belgien) war nun das nächste Ziel erreicht, Amsterdam. Im ehrwürdigen Concertgebouw konzertierten die Philharmoniker ein reines Mozart-Programm, das aus der Symphonie Nr. 27 G-Dur KV 199, dem Klavierkonzert Nr. 24 in g-Moll KV 491 mit dem Solisten Lang Lang, und der „Prager“ Symphonie in G-Dur KV 504 bestand. Lang Lang gewährte dem Publikum noch eine Zugabe aus den Davisbündler-Tänzen von Robert Schumann. – Hier wäre also die philharmonische Schiffsreise zu Ende gewesen, wenn sich nicht an diese noch ein Appendix in Form eines Gastspieles der Wiener Staatsoper angeschlossen hätte.

Die Schiffsreise setzte sich damit fort, und rein kameralistisch gesehen, bedeutete dies einen Weitertransport zu Schiff unter der Flagge des staatseigenen Dienstgebers; die wundersame Verwandlung des Philharmonikers zum Orchestermitglied der Wiener Staatsoper möge dann irgendwo in der Nordsee auf der Strecke Amsterdam-Hamburg stattgefunden haben, der Chronist vermutet etwa in der Gegend zwischen Helgoland und Cuxhaven. Am Samstag, den 15. September fand also in der Elbphilharmonie eine Aufführung der Wiener Staatsoper mit „Le Nozze di Figaro“ unter der Leitung von Ádám Fischer statt. Über sie ist ja nicht mehr in der eigentlichen Ausrichtung eines philharmonischen Tagebuches zu berichten, als aparter Schlusspunkt einer unter philharmonischen „Segeln“ erfolgten Schiffsreise aber doch zu erwähnen. Es gilt noch weiterhin gewisse vorab geäußerte Befürchtungen zu zerstreuen, dass sich die Nordsee als raueres Gewässer hier mit mehr Bewegung, mit Stampfen, Schlingern, Schaukeln in Szene setzen würde als es bei den schon gehabten Reisen auf dem Mittelmeer und der Ostsee der Fall war. Diese Befürchtungen sind nicht eingetreten, die Stabilisatoren der MS Artania haben gekonnt ihre Schuldigkeit getan.