Intensive künstlerische Arbeit mit Maestro Gustavo Dudamel
Die intensive künstlerische Arbeit mit Maestro Gustavo Dudamel, die ja schon im Januar 2018 mit Abonnementkonzert und Europa-Tour begonnen hatte, setzte sich auch im Folgemonat fort. Die drei bereits erarbeiteten Programme (Mahler, 10. Symphonie, und Berlioz, Symphonie fantastique; – Brahms, Akademische Festouvertüre, Haydn-Variationen, 1. Symphonie; – Ives, 2. Symphonie, Tschaikowsky, 4. Symphonie) bildeten die Grundlage für eine Amerika-Tournee, die beide Halbkontinente umfasste. Eine Art Voraufführung bildete noch ein Auftritt im Wiener Konzerthaus am Dienstag, dem 20. Februar abends, dem Vorabend vor der Abreise nach den USA. Hier wurde das Brahms-Programm gespielt. Die darauf folgenden drei Konzerte in der New Yorker Carnegie Hall liefen wie jedes Jahr unter dem Titel der „Wiener-Philharmoniker-Woche“, die dieses Mal zum 29. Mal stattfand. Wie dehnbar ein solcher Begriff von „Woche“ sich darzustellen vermag, manifestiert sich im tatsächlichen Ablauf der Termine, die am Freitag, dem 23. Februar abends (Brahms), Samstag, dem 24. Februar abends (Mahler, Berlioz), sowie am Sonntag, dem 25. Februar frühnachmittags 14.00 Uhr (Ives, Tschaikowsky) wahrgenommen wurden. Traditionsgemäß geschah die Abreise dann am Sonntag unmittelbar nach Konzertende. Das bedeutet für das Orchester eine zwar gewohnte Prozedur, aber in ihrer Logistik von Check-Out, Kofferabgabe, Fracktoilette an und aus, Instrumentenversorgung, Gruppeneinteilung, abschließend Bustransport – insgesamt also eine Abfolge von besonderer Intensität.
Die nächste Destination war Naples in Florida, von zwei Aufenthalten der Vorjahre bereits hinlänglich bekannt, wo erst einmal ein wohlverdienter freier Tag genossen werden konnte. Am Dienstag, 27. Februar kamen in der Francis Pew Hayes Hall des Artis-Naples Center das Brahms-Programm und am Mittwoch, 28. Februar Mahler mit Berlioz zur Aufführung. Es hat hier einmal und auch für die Folge festgehalten zu werden, dass man mit Zugaben weder sparen durfte noch wollte. Mit vier solchen Stücken wohlgerüstet waren in unterschiedlicher Anordnung (hier alphabetisch angeführt) von Leonard Bernstein, der „Walzer“ aus dem Divertimento für Orchester, von Josef Strauß die Polka schnell „Winterlust“ op. 121 wie auch der Walzer „Delirien“ op. 212 und von Peter Iljitsch Tschaikowsky der Walzer aus dem Ballett „Schwanensee“ im Einsatz. Sinnvoll ergaben sich nach dem Berlioz-Opus mit seinem wild-wüsten Schluß die „Delirien“ als passend, das Brahms-Programm wurde kontrastierend mit Bernstein und der „Winterlust“ bedient, was sich für den Nordteil des Kontinentes als entsprechend, für Mittel- und Südamerika dann schon als eine gewisse Antithese darstellte. Dass auf Tschaikowsky ein ebensolcher zu folgen berechtigt ist, hat sich ebenfalls positiv erwiesen.
Der lateinamerikanische Teil der Tournee schloss sich nun an: am Freitag, 2. März konzertierte man in Mexico City im Palacio de Bellas Artes mit Ives und Tschaikowsky, am Folgetag ebendort mit dem Brahms-Programm, wo hier allerdings als Mittelstück statt der Haydn-Variationen das Mozart Konzert für Flöte und Orchester Nr. 2 in D-Dur, KV 314 mit unserem Orchestermitglied Walter Auer als Solisten aufgeführt wurde. Von diesem traditionellen Bau im mexikanischen „Ringstraßen“-Stil aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit seinem nicht übergroßen Platzangebot wurde für das dritte Konzert am Ort zum Sonntag, den 4. März in eine bedeutend größere Lokalität gewechselt: das Auditorio Nacional bietet Raum für etwa 9.000 Zuhörer und diese waren dann auch anwesend. Einerseits hat sich bei einer so großen Halle eine elektroakustische Verstärkung als notwendig erwiesen, andererseits habe das die Begeisterungsfähigkeit des Publikums in keiner Weise beeinflusst, so berichten Augen- und Ohrenzeugen.
In Fortsetzung der Tournee reiste man nun auf dem südamerikanischen Kontinent. Das schon vor zwei Jahren mit Valery Gergiev erkundete Teatro Mayor Julio Maria Santo Domingo in Bogotá war die Heimstatt des nächsten Konzertes am 6. März, bei dem wieder das (reine) Brahms-Programm gespielt wurde. Am Reisetag darauf ging es zum eigentlichen Höhepunkt der Tournee; die Wiener Philharmoniker flogen zu ihrem ersten Konzert nach Chile. Dieser Auftritt fand am Donnerstag, den 8. März in der Ópera Nacional de Chile im Municipal de Santiago und abermalig mit dem Brahms-Programm statt. So sehr dieser historische Moment der „Eroberung“ einer neuen Destination, einer Präsenz in einem bis dato noch nicht besuchten Land erwartet worden war, so schnell ist es leider auch geschehen, dass er nach dem kurzen Aufenthalt schon wieder Geschichte geworden ist. Nach dem ereignishaften Debut ging es mit einem „kleinen Umweg“ in Richtung Heimat. Der genannte Umweg bedeutete noch ein Konzert im Teatro Colón in Buenos Aires am 10. März , einem für das Orchester geschichtsträchtigen Boden, den es vor fast hundert Jahren erstmalig mit Felix von Weingartner und dann mit Richard Strauss betreten hat. Diese beiden ersten Reisen der Wiener Philharmoniker nach Übersee fanden 1922 und 1923 statt, und der zweite Südamerika-Aufenthalt trug den tragischen Aspekt des Ablebens von drei Orchestermitgliedern. Der Primgeiger Karl Knoll, der Klarinettist Franz Behrends sowie der Kontrabassist Eduard Madenski kehrten nicht mehr zurück nach Europa. Die detaillierten Umstände dieser traurigen Ereignisse sind im grundlegenden Werk von Clemens Hellsberg „Demokratie der Könige“ ausgeführt. Im Fall des in Buenos Aires verstorbenen Franz Behrends wurde bei der aktuellen Tournee auch ein Zeichen der Erinnerung an ihn gesetzt. Behrends war damals im August 1923 auf dem Deutschen Friedhof der Stadt bestattet und die Grabstätte vor einigen Jahren von der Friedhofsverwaltung verkauft worden; nichtsdestotrotz wurde diese dann dem Friedhof wieder zurück gegeben, und am 10. März 2018 fand vormittags dort im Rahmen einer Gedenkfeier die Enthüllung eines Grabsteins statt, die vom Historischen Archiv der Wiener Philharmoniker initiiert worden war. Das abendliche Konzert hatte dann die Programmabfolge mit Brahms, Akademischer Festouvertüre und Haydn-Variationen, nach der Pause Tschaikowsky, 4. Symphonie; und in diesem Fall die Zugaben mit Bernstein und der Strauß’schen „Winterlust“.
Weitere Aktivitäten des Historischen Archivs des Orchesters wurden quer über die Tournee verteilt an mehreren Orten gesetzt. In New York fand am 25. Februar 2018 im Austrian Cultural Forum ein „Tribute to Leonard Bernstein“ anlässlich des 100. Geburtstages des großen Dirigenten, Komponisten, Pianisten und Musikpädagogen statt. Musikalisch umrahmt vom Mozart’schen Klarinettenquartett, das Orchesterkollegen spielten, stellten Dr. Silvia Kargl, die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Historischen Archivs, und Dr. Friedemann Pestel, Historiker an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, neue Forschungsergebnisse zu Leonard Bernstein in seinem Verhältnis zu den Wiener Philharmonikern vor. Weiters wurde das Konzept zu der im Oktober 2018 geplanten Ausstellung „Bernstein. A New Yorker in Vienna“ im Wiener Jüdischen Museum und im Haus der Musik Wien präsentiert. Die Kooperation dieser Institutionen ist hier dankbar zu erwähnen.
Ebendieser sowie der schon im vergangenen Jahr erarbeitete und nun aktualisierte Vortrag „Ambivalent Loyalties - Ambivalente Loyalitäten“ über die Zeit der Wiener Philharmoniker unter der Nazi-Herrschaft und danach wurden während der Anwesenheit des Orchesters in Naples in Florida am 26. und am 28. Februar gehalten. Am 2. März gab es in Mexico City im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Historicas Cruzadas México – Austria“ (Geschichtskreuzungen Mexiko – Österreich) ebenfalls einen Doppelvortrag von Dr. Kargl und Dr. Pestel über das Gedenkjahr 1938 und seine Folgen für die Wiener Philharmoniker, der vom Österreichischen Kulturforum veranstaltet an der UNAM-Musikuniversität stattfand.