30. April 2019

Mens sana in corpore sano


© Martin Kubik

Die Disposition des Orchestermusikers hat auch eine gesundheitliche Facette, es mag sich dabei sogar um etwas mehr als nur eine Facette handeln. Auf jeden Fall ist es aber kein Thema, über das man leichtfertig ins Schwätzen gerät. Seit knapp drei Saisonen gibt es für die Orchestermitglieder eine gerne angenommene Aktion, die unter dem Titel „Phil-Fit“ läuft und deren Grundzweck und -aufgabe es ist, die vielfältigen einseitigen Belastungen des Musikerberufes entsprechend auszugleichen und präventiv abzustützen. Ein Team aus Ärzten, Psychologen und Physiotherapeuten hat hier einen Weg gefunden, der sich mit einer therapeutischen Begleitung befasst. Eine solche gilt bei anderen Spitzenbelastungen wie etwa im Sportbereich als durchaus üblich und ist gemeinhin akzeptiert. Nachdem zur ausgleichenden muskulären Gleichbehandlung ein Geiger aber etwa kaum sein Instrument in die rechte und den Bogen in die linke Hand nehmen wird, ist hier an andere Maßnahmen des Ausgleichs zu denken. Das Team „Phil-Fit“ hat sich in dieser Hinsicht mit Einfallsreichtum und Effizienz im Orchesterkreis ein gewisses stolzes Renommée geschaffen. Phil-Fit ist so zu einem wichtigen, fast unverzichtbaren Bestandteil für sehr viele Philharmoniker geworden. In Anlehnung an eine berühmte lateinische Spruchweisheit ist eine Würdigung gleichermaßen unter dem Titel „Musica sana in musicis sanis“ anzubringen.

Eins vorweg genommen: Schon der Musiksoziologe Kurt Blaukopf, der mit seiner Frau Herta ein Buch über die Wiener Philharmoniker verfasst hat [„Die Wiener Philharmoniker – Wesen – Werden – Wirken eines großen Orchesters“], nannte eines seiner Kapitel: „Der Musiker spielt nicht“. Damit ist die Beanspruchung gemeint, die aus dem Sprachgebrauch des Wortes „Spielen“ eine völlig andere Schlussfolgerung zieht, als der Begriff in seiner landläufigen Verwendung bedeutet.

Das Feld der Arbeitsmedizin, das sich mit Untersuchung und Beeinflussung der Wechselbeziehungen zwischen beruflicher Anforderung und der Gesundheit des Arbeitnehmers auseinandersetzt, ist fest in der modernen Medizin verankert. Der wenig erfreuliche Terminus „Berufskrankheit“ hat hier ebenso angeführt zu werden. Muskuläre Beschwerden treten in den verschiedensten Berufsgruppen auf. Sie entwickeln sich oft über Monate oder gar Jahre und sind Hauptursache für die Entstehung von Fehlstunden, Arbeitsunfähigkeit, Entschädigungskosten und insgesamt erhöhten Kosten im Gesundheitswesen

Was der Mediziner wertfrei als „stundenlange tägliche Trainigseinheiten“ benennt, das ist das unerläßliche Üben und die Probenarbeit, die dem Musiker „neuromuskuläre Anforderungen“ in höchst komplexer Weise abverlangen. Sie mit den Trainings- und Leistungsanforderungen eines Spitzensportlers zu vergleichen, gilt von ärztlicher Seite gesehen gar nicht als abwegig. Dabei ist es hier angesagt, nicht erst im Akutfall zu reagieren, sondern ein Angebot zu stellen, das orchesternah und ganz banal (gemeint ist dabei praxisnah) auf den Dienstanfall in der Staatsoper und die philharmonische Terminplanung abgestimmt ist. Dabei wird ein Therapiekonzept mit präventiven Maßnahmen zusammenlegt. Durch die Vorbeugung soll hier gleichsam Anerkennung und Wertschätzung geschaffen werden.

Die letzten beiden Begriffe sind zusammen mit einem herzlichen Dankeschön auch an die Sponsoren dieser Aktion zu richten. Es hat sich die UNIQA-Versicherung hier zu einer substantiellen und mehrjährigen Unterstützung bereit gefunden; beteiligt sind auch die LSG Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH, sowie die Allianz Elementar Versicherungs-AG. Es mag verständlich erscheinen, dass sich Versicherungen einer solchen Umwegrentabilität annehmen, die sich freilich nicht in sofortiger Gegenkassa als gewinnbringend ausrechnen lässt; als selbstverständlich kann man eine solche Bereitwilligkeit zur Hilfe jedenfalls nicht bezeichnen.